User Tools

Site Tools


kug_-_versuchsanleitung

KUG - Versuchsanleitung

Einleitung

Verschieben sich Moleküle in einer Flüssigkeit gegen-einander, so versuchen die Nachbarteilchen durch die Bindungskräfte (Kohäsionskräfte) dies zu verhindern. Es tritt Reibung (innere Reibung) auf, die anschaulich als Zähigkeit der Flüssigkeit wahrnehmbar ist und quan-titativ durch die Viskosität beschrieben wird. Die innere Reibung bzw. Viskosität spielt bei sehr vielen technisch-angewandten Prozessen eine wichtige Rolle. Die innere Reibung ist für das1/r4 -Gesetz verantwortlich, wonach (bei gegebener Druckdifferenz) der Strömungswiderstand (\Delta p/) einer Rohrleitung mit kreisförmigem Querschnitt mit der vierten Potenz des Radius abnimmt (Hagen-Poiseuillesches Gesetz, ~r4 bzw. \Delta p/~1/r4). Organische Kreislaufsysteme regeln so in sehr effektiver Weise die Durchblutung (Blutstrom).

Bei den meisten Flüssigkeiten ist die Viskosität konstant oder nur von der Temperatur abhängig. Suspensionen dagegen, wie Blut, zeigen ein abweichendes Verhalten. Die Erythrozyten gleichen langgestreckten Ellipsoiden, die sich bei größer werdendem Druck zunehmend parallel zur Strömungsrichtung ausrichten und somit die innere Reibung bzw. Viskosität erniedrigen. Auch dies trägt konstruktiv zur Durchblutungssteuerung bei.

Viele hochpolymere Stoffe, wie Kautschuk, zeigen Bereiche verschiedener Elastizität. Bei sehr tiefen Temperaturen ist Gummi hochelastisch, vergleichbar den Metallen. Bei höheren Temperaturen dagegen werden die Elastizitätskonstanten sehr klein, und Belastungen folgen nicht mehr dem Hookeschen Gesetz. Verformungen in diesem Bereich setzen sich aus einem elastischen Anteil und einem inelastischen Anteil zusammen, bei dem das Material wie eine hochviskose Flüssigkeit fließt (Viskoelastizität). Der viskoelastische Zustand ist dadurch bedingt, dass bei höheren Temperaturen die Valenzbindungen von Makromolekülen rotieren können, d.h. dass alle Einstellungen der C-C-Bindungen auf einem Kegelmantel möglich sind. Die Makromoleküle können sich so gegeneinander verschieben und verformen. Bei tiefen Temperaturen dagegen werden die Van-der-Waals-Bindungskräfte dominant und führen zum Einfrieren der Rotationsmöglichkeiten.

Aufgaben

1. Viskosität

Messung der Viskosität \eta von Rizinusöl in Abhängigkeit von der Temperatur; Angabe des Viskositätswertes für 20°C.

2. Kugelradien

Bestimmung der Radien r kleiner Stahlkugeln.

Physikalische Grundlagen

Innere Reibung und Viskosität

Materie wird durch molekulare und atomare Bindungskräfte (Bindungsenergien) zusammengehalten. Dem Zusammenhalt entgegen wirkt die von der Temperatur abhängige thermische Energie des Systems in Form der molekularen Bewegung. Aus dem Verhältnis von Bindungsenergie und thermischer Energie ergeben sich die unterschiedlichen Phasen von Materie, insbesondere die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig. In Flüssigkeiten gibt es bereits verhältnismäßig große Bindungskräfte, die eine Volumenbeständigkeit und Nahordnung herbeiführen. Jedoch können die Moleküle unter Einwirkung der thermischen Energie noch leicht Plätze tauschen, so dass Flüssigkeiten in sich beweglich bleiben. Bei gerichteten Bewegungen in der Flüssigkeit muss zur Überwindung der Bindungskräfte jedoch Arbeit aufgewendet werden, um die innere Reibung zu überwinden. Bei makroskopischen Systemen sind Reibungskräfte oft proportional zur Geschwindigkeit, und dem folgend wird auch die Reibungskraft FR eines Körpers der Fläche A, der sich parallel zu dieser Fläche in der Flüssigkeit bewegt, proportional zum Geschwindigkeitsgefälle dv/dr angesetzt (relative Geschwindigkeitsdifferenz quer zur Bewegungsrichtung):

Der Proportionalitätsfaktor \eta heißt Koeffizient der inneren Reibung oder Viskosität (genauer: dynamische Viskosität). Die Viskosität ist eine Materialkonstante; ein anschaulicher Name ist Zähigkeit.

Temperaturabhängigkeit der Viskosität

Die innere Reibung ist aufgrund der Konkurrenz zwischen Bindungsenergie und thermischer Energie stark temperaturabhängig. Sie folgt für Flüssigkeiten einer für thermische Prozesse typischen Exponentialfunktion mit 1/T im Exponenten:

wobei auch die Parameter A und B charakteristische Materialkonstanten sind.

Messmethode

Bei Bewegungen durch ein kontinuierliches Medium (Flüssigkeit, Gas) erfahren kugelförmige Körper bei nicht zu großen Geschwindigkeiten eine Reibungskraft, die ihrer Geschwindigkeit, ihrem Radius und der Visko-sität des Mediums proportional ist. Die Untersuchung der Bewegung kann als Methode zur Bestimmung der Viskosität herangezogen werden (Kugelfallviskosime-ter). Lässt man (Stahl-) Kugeln mit kleinem Radius (r 1 mm) in einer verhältnismäßig zähen Flüssigkeit fallen (hier Rizinusöl), so beobachtet man, dass sich die Kugeln nach kurzer Zeit mit konstanter Geschwindigkeit bewegen und die Beschleunigung Null ist. Demnach erfolgt die Bewegung kräftefrei (F = m a = 0), d.h. die Summe aller an der Kugel angreifenden Kräfte muss verschwinden. Als Kräfte auf die Kugel wirken die Schwerkraft FG, der Auftrieb FA und die Reibungskraft FR:

Die Schwerkraft (Gewicht) der Kugel beträgt:

wenn r der Kugelradius, rK die Dichte der Kugel (Stahl) und g die Fallbeschleunigung ist (g \approx 9,81 m/s2). Der Auftrieb FA eines Körpers ist gleich der Gewichtskraft der von ihm verdrängten Flüssigkeit oder des Gases (archimedisches Prinzip) und der Fallbeschleunigung entgegengerichtet:

Auch die Reibungskraft FR ist der Geschwindigkeit entgegengerichtet. Die genaue Abhängigkeit von der Viskosität, dem Kugelradius und der Geschwindigkeit lautet (stokessches Gesetz):

Wird die Geschwindigkeit v gemessen (Fallstrecke s und Fallzeit t), so kann die Viskosität \eta durch Einsetzen von (4, 5 und 6) in (3) berechnet werden. Die Bestimmung unbekannter Radien rx läuft auf Vergleichsmessungen zwischen Kugeln mit dem Radius rx und einer Kugel mit bekanntem Radius r0 hinaus. Die Auswertegleichung reduziert sich auf das Verhältnis der Fallzeiten t0/tx unter der Voraussetzung gleicher Fallstrecke s und gleicher Viskosität \eta, d.h. gleicher Temperatur. Man erhält sie durch Gleichsetzen der Beziehungen für \eta für unterschiedliche Radien, wobei sich aus der Formel bis auf die Radien und die Fallzeiten sämtliche anderen Größen herauskürzen.

Versuchsdurchführung

Es sind mit Rizinusöl gefüllte Standzylinder und Kugeln verschiedener Radien vorhanden. Der Zylinder trägt Ringmarken, deren Abstand mit einem Metallmaßstab gemessen werden kann. Die Bestimmung der Fallzeiten erfolgt mit Handstoppuhren. Die Kugeln sind vor jeder Messung gut zu reinigen, da an den Kugeln anhaftendes, altes Öl verharzt sein und damit den scheinbaren Radius der Kugeln vergrößern kann. Die Kugeln können mit einem Magneten wieder aus dem Zylinder entfernt werden.

Die Viskosität des Öles ist sehr stark temperaturabhängig. Schon die Änderung der Temperatur um 1 K führt zu einer deutlichen Viskositätsänderung. Die Einstellung und Konstanthaltung unterschiedlicher Temperaturen zur Messung der Temperaturabhängigkeit wäre wegen der thermischen Trägheit der Apparatur (Standzylinder mit Öl) sehr langwierig. Aus Vereinfachungsgründen werden deshalb die Standzylinder vor Versuchsbeginn abgekühlt (Kühlschrank), so dass man durch die Aufwärmung während der Versuchsdurchführung unterschiedliche Temperaturen erhält.

In Strenge ist dies inkorrekt, da die Temperatur als Zustandsgröße ein thermisches Gleichgewicht voraussetzt. Tatsächlich ergeben sich aber in dem Standzylinder während der Aufwärmung nicht nur räumliche Temperaturdifferenzen (Temperaturgradienten) sondern auch Konvektion innerhalb des Öles. Die Temperaturabhängigkeit der Viskosität kann dennoch qualitativ richtig beobachtet werden, wenn die Messungen unter gleichbleibenden Umständen durchgeführt werden (gleicher Fallkanal in der Mitte des Zylinders, gleiche Messstrecke, Thermometer an der gleichen Stelle belassen), so dass diese systematischen Fehler bei allen Messwerten in etwa gleich sind. Insbesondere darf nicht versucht werden, das Öl durch Rühren mit dem Thermometer zu "homogenisieren", da dies wegen der Zähigkeit des Öles und der Höhe des Standzylinders nicht gelingt und nur zu unsystematischen Verhältnissen führt.

Zur Versuchsdurchführung werden die Fallzeiten der verschiedenen Kugeln in Abhängigkeit von der Temperatur gemessen. Die Messungen müssen über einen Zeitraum von mindestens einer Stunde durchgeführt werden, um eine genügend große Temperaturänderung und ausreichend viele Messpunkte zu erhalten. Man geht zweckmäßigerweise so vor, dass man nacheinan-der und wiederholend in gleichbleibender Reihenfolge die Fallzeiten für die verschiedenen Kugeln und die zugehörigen Temperaturen aufnimmt.

Zu Aufgabe 1 (Viskosität)

Zur Auswertung werden die Fallzeiten t über 1/T (Temperaturen in Kelvin umrechnen!) einfachlogarithmisch dargestellt und die Messpunkte gemäß (2) durch (parallele) Geraden ausgeglichen. Das Diagramm ist so anzulegen, dass die Fallzeit bei 20 °C zur Berechnung des Vergleichswerts der Viskosität extrapoliert werden kann (siehe Abb. 1).

Bild einfügen

Abb.1:Grafische Auswertung. Eintrag paralleler Ausgleichsgeraden (warum?) und Festlegung der extrapolierten Fallzeit zur Berechnung der Viskosität bei 20 °C und der unbekannten Kugelradien.

Die Messpunkte am "rechten Rand" können dabei systematisch vom linearen Verlauf abweichen und sollen bei der Festlegung der Ausgleichsgeraden nicht mit berücksichtigt werden. Versuchen Sie den Effekt zu erklären.

Zu Aufgabe 2 (Kugelradien)

Zur Berechnung der unbekannten Radien nach der Vergleichsmethode werden Fallzeiten gleicher Temperatur benötigt, für die keine direkten Messwerte vorliegen, die aber dem Schaubild als extrapolierte Ausgleichswerte (zum Beispiel an der Achse) entnommen werden können.

Literaturwerte

Technische Sollwerte der Kugeldurchmesser;

Toleranz ± 0,01 mm:

Viskosität von Rizinusöl (KOHLRAUSCH; Praktische Physik; B.G.Teubner, Stuttgart):

ohne Fehlerangabe. Als Naturprodukt ist für den Wert eine größere Schwankung anzunehmen. Die Dichten von Stahl und Rizinusöl sind im Platzskript angegeben.

kug_-_versuchsanleitung.txt · Last modified: 2009/10/02 09:06 by hatter

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki