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polarisation

POLARIMETRIE

In Chemie und Kristallografie, Biowissenschaften und Medizin und in einer Vielzahl technischer Bereiche wird in Messtechnik und Anwendungen von den Eigenschaften und Erscheinungen polarisierten Lichtes Gebrauch gemacht. Polarimetrische Konzentrationsbestimmungen optisch aktiver Substanzen in Lösungen finden in Chemie, Biologie und Medizin verbreitet Anwendung. Als Beispiele sind die Blutzuckerbestimmung im Harn, die Konzentrationsüberwachung bei der Zuckerproduktion (Saccharimetrie) oder reaktionskinetische Messungen in der Chemie zu nennen. Auch viele Aminosäuren zeigen optische Aktivität und können polarimetrisch nachgewiesen werden. Die Polarisationsmikroskopie ist eine wichtige Methode zur Aufdeckung von Strukturen in transparenten Medien ohne Helligkeits- oder Farbunterschiede. Das in der Atmosphäre gestreute Sonnenlicht (Himmelsblau) ist teilweise polarisiert, am stärksten senkrecht zur Richtung der Sonnenstrahlen. Es wurde nachgewiesen, dass Bienen mit ihren Facettenaugen die Polarisation des Himmelslichtes erkennen und zur Orientierung verwenden. Der vorliegende Versuch soll eine kurze Einführung in die phänomenologischen Grundlagen der Polarisation geben und praktische Übung der polarimetrischen Konzentrationsbestimmung vermitteln.

Aufgaben

1.(Spezifische Drehwinkel): Bestimmung der spezifischen Drehwinkel [α] von D(-)-Fructose, D(+)-Glucose und Saccharose.
2.(Mischprobe): Quantitative Analyse eines Zuckergemisches.

Physikalische Grundlagen

Polarisation

Man unterscheidet zwei Grundformen von Wellen: longitudinale und transversale Wellen (Längs- und Querwellen). Bei longitudinalen Wellen haben Auslenkung und Ausbreitung der Welle die gleiche Richtung (Abb. 1). Durch die Welle wird nur eine Raumrichtung, nämlich die Ausbreitungsrichtung, ausgezeichnet. Bei transversalen Wellen stehen Auslenkung und Ausbreitungsrichtung senkrecht aufeinander. Durch beide Richtungen wird eine Ebene ausgezeichnet, die als Schwingungsebene der Welle bezeichnet wird.

Polarisation tritt nur bei Transversalwellen auf. Diese setzen sich im Allgemeinen aus einer Vielzahl von elementaren Wellenzügen zusammen, deren einzelne Schwingungsebenen zufällige Richtungen besitzen. Gibt es jedoch eine bevorzugte Schwingungsebene, so spricht man von einer polarisierten Welle. Die bevorzugte Ebene heißt Polarisationsebene, die bevorzugte Schwingungsrichtung senkrecht zur Ausbreitungsrichtung Polarisationsrichtung. Bei der in Abb.1 skizzierten Transversalwelle ist die Polarisationsrichtung die Richtung nach oben und unten und die Polarisationsebene die Ebene des Papiers selbst.
Den Grad der Ausrichtung einer Welle bezeichnet man als Polarisationsgrad (haben anschaulich gesprochen z.B. von 100 Wellenzügen 60 die gleiche Schwingungsebene, und sind die anderen 40 zufällig verteilt, so spricht man von einem Polarisationsgrad von 60 %).
Aus den Polarisationserscheinungen folgt, dass Licht eine transversale Welle darstellt. Licht ist eine elektromagnetische Welle, wobei ein elektrisches (E-) Feld und ein magnetisches (B-) Feld die Schwingungsgrößen sind. Bei Licht bezeichnet man Richtung und Größe des E-Feldes als Schwingungsrichtung.
Das Polarisationsverhalten des Lichtes wird in vielfältigen Anwendungen ausgenutzt. Als Beispiele werden bei diesem Versuch Konzentrationsmessungen an optisch aktiven Substanzen durchgeführt und qualitativ spannungsoptische Untersuchungsmethoden und die Polarisationsmikroskopie behandelt.

Lineare und zirkulare Polarisation

Eine Welle mit einer feststehenden Polarisationsebene bezeichnet man als linear polarisiert. Überlagern sich zwei (oder mehrere) elementare Wellenzüge mit verschiedenen Schwingungsebenen, so überlagern sich ihre Auslenkungen, bei Licht also ihre E-Felder, die vektoriell zu addieren sind.
Für zwei Wellenzüge, deren Schwingungsebenen senkrecht aufeinander stehen, sind je nach Phasenlage verschiedene Formen der Polarisation der resultierenden Welle möglich. Sind beide Wellenzüge gleichphasig (Phasendifferenz 0) oder genau gegenphasig (Phasendifferenz \pi rad = 180 Grad), so ist der resultierende E-Feldvektor räumlich fest in der Mittellage zwischen E1 und E2 ausgerichtet. Das Ergebnis ist wieder eine linear polarisierte Welle (Abb. 2).

Sind zwei Wellenzüge gleicher Amplitude gerade um ein Viertel einer Wellenlänge gegeneinander verschoben (Phasenverschiebung \pi/2), so bleibt die Größe des resultierende E-Feldes zwar immer gleich, aber die Richtung kreist gleichförmig um die Ausbreitungsrichtung. Man erhält eine zirkular polarisierte Welle. Die Verhältnisse entsprechen der Zusammensetzung einer Kreisbewegung aus zwei zueinander senkrechten, harmonischen Schwingungen (Abb. 3). Abb.3 Vektoraddition von Wellenzügen zu zirkularer Polarisation bei Phasendifferenz ± π/2
Abb.3 Vektoraddition von Wellenzügen zu zirkularer Polarisation bei Phasendifferenz ± π/2
Im allgemeinen Fall sind neben unterschiedlichen Phasenlagen auch die Amplituden verschieden, wodurch sich sowohl die Raumrichtung als auch die Größe des resultierenden E-Feldvektors periodisch ändern und man elliptisch polarisierte Wellen erhält.

Anisotropie

Ein Medium heißt isotrop, wenn in ihm keine Raumrichtung in besonderer Weise ausgezeichnet ist. Anisotrope Stoffe dagegen besitzen, bedingt durch ihre Struktur, in verschiedenen Raumrichtungen unterschiedliche Eigenschaften, was bei optischen Erscheinungen z.B. zu Doppelbrechung und Dichroismus führt.

Doppelbrechung und Spannungsoptik

Bei anisotropen Kristallen kann die Lichtgeschwindigkeit, d.h. der Brechungsindex, von der Ausbreitungsrichtung und der Polarisationsrichtung des Lichtes abhängig sein. Man spricht von doppelbrechenden Kristallen oder natürlicher Doppelbrechung (Beispiel Kalkspat). Das führt dazu, dass einfallende Lichtstrahlen an der Grenzfläche des Kristalls je nach Schwingungsrichtung unterschiedlich gebrochen und so in zwei Teilbündel aufgespalten werden, die senkrecht zueinander linear polarisiert sind.
Diesen Effekt nutzt man zur Erzeugung polarisierten Lichtes beim Nicolschen Prisma aus. Die beiden Teilbündel werden an einer geeignet geneigten Grenzfläche im Prisma dadurch getrennt, dass das eine Bündel gerade noch (unter Brechung) die Fläche durchsetzt, während das andere auf Grund des flacheren Einfallswinkels durch Totalreflexion in eine andere Richtung abgelenkt wird (Abb.4).

In Substanzen mit langen Molekülketten, wie z.B. Plastikmaterial, kann eine Anisotropie, und damit eine Doppelbrechung, durch mechanische Spannungen verursacht werden (Spannungsdoppelbrechung). Die dadurch hervorgerufenen Polarisationserscheinungen können zur Untersuchung von mechanischen Spannungszuständen herangezogen werden (Spannungsoptik).

Dichroismus

Ein optisch durchsichtiges Medium, das aber Licht eines bestimmten Wellenlängenbereichs absorbiert, erscheint aus diesem Grund bei Betrachtung in weißem Licht farbig. Bei farbigen, optisch doppelbrechenden Kristallen ist die Lage des Absorptionsbereiches (Absorptionswellenlängen) von der Ausbreitungsrichtung im Kristall und der Schwingungsebene des Lichtes abhängig. Man bezeichnet dieses Verhalten als Dichroismus. Dichroitische Kristalle sind zur Erzeugung polarisierten Lichtes im Sichtbaren geeignet, wenn ihre Absorptionswellenlängen für die eine Polarisationsebene bevorzugt im sichtbaren und für die dazu senkrechte Polarisationsebene bevorzugt in den nicht sichtbaren Bereichen des optischen Spektrums liegen (ultraviolett, infrarot). Auf diesem Prinzip beruht die Wirkung von Polarisationsfolien (Polaroidfilter). Kleine, dichroitische Kristalle werden in eine Kunststoffolie eingebettet und durch mechanisches Re-cken in eine Vorzugsrichtung gebracht. Durch die Vorzugsrichtung erhält man eine gemeinsame Polarisations-ebene für das von den einzelnen Kristalliten erzeugte polarisierte Licht.

Optische Aktivität und Konzentrationsmessung

Bestimmte Substanzen sind in der Lage, die Schwingungsebene linear polarisierten Lichtes zu drehen. Man bezeichnet dieses Verhalten als optische Aktivität. Bei der Kennzeichnung von Substanzen unterscheidet man zwischen dem Drehsinn und der Konfiguration des Moleküls. Der Drehsinn wird positiv (+) genannt, wenn er bei Beobachtung gegen die Richtung des Lichtes im Uhrzeigersinn (rechtsherum) erfolgt. Mit dem Vorsatz D und L werden die spiegelsymmetrischen, räumlichen Anordnungen der Moleküle bezeichnet.
Die Drehung der Polarisationsebene kann durch zirkulare Doppelbrechung erklärt werden. Das linear polarisierte Licht wird in eine rechts- und eine linkslaufende zirkulare Komponente zerlegt, wobei sich aufgrund der unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten beider Komponenten eine Phasenverschiebung ergibt, die bei der (Rück-) Überlagerung der Komponenten zu einer Drehung der Polarisationsebene führt.
Optische Aktivität wird bei bestimmten Kristallen (z.B. Quarz) und Lösungen bestimmter Verbindungen beobachtet. Insbesondere sind alle Lösungen organischer Verbindungen optisch aktiv, die ein sogenanntes asymmetrisches C-Atom (mit * in Abb. 5 markiert) besitzen, d.h. an dessen vier Bindungsarmen vier unterschiedliche Liganden gebunden sind. In diesem Fall sind zwei verschiedene räumliche Anordnungen des Moleküls möglich, die spiegelsymmetrisch zueinander sind und sich nicht durch räumliche Transformationen zur Deckung bringen lassen. Man spricht von Spiegelbildisomerie und nennt die beiden Isomere Antipoden. Eine optisch aktive Verbindung ist die Milchsäure, welche als Endprodukt bei der anaeroben Verbrennung des Adenosintriphosphates (ATP) im Muskel entsteht und in erhöhter Konzentration Muskelkater hervorruft. Abb. 5 zeigt als Beispiel die Valenzstrichformel der Milchsäure.

Weitere Beispiele optisch aktiver Verbindungen sind die Zucker, einige Verbindungen des Zitronensäurezyklus und viele Enzyme.
Ein Gemisch beider Antipoden, das nach außen keine optische Aktivität zeigt, wird als Razemat bezeichnet.

Polarisationsmikroskopie

In der Kristallografie, Biologie und Medizin sind häufig Objekte zu untersuchen, deren Strukturen sich nur durch Unterschiede im Brechungsindex auszeichnen, nicht aber durch unterschiedliches Absorptionsverhalten (Farbe, Helligkeit). Bei Betrachtung in normalem Licht sind diese Objekte gleichmäßig durchlässig und Strukturen damit nicht erkennbar. Oft haben die Proben jedoch anisotropen Charakter, so dass viele Kristalle, Muskelzellen und kleine, vielzellige Organismen doppelbrechend sind. Beleuchtet man derartige Objekte mit linear polarisiertem Licht und bringt vor das Okular einen Analysator, so ergeben sich aufgrund der Anisotropien deutliche Intensitäts- und Farbkontraste ähnlich wie bei der Spannungsoptik.

Versuchsdurchführung

Den prinzipiellen Aufbau eines Polarimeters zu Polarisationsuntersuchung zeigt Abb. 6. Es besteht aus einer Lichtquelle, einem Polarisator zur Erzeugung polarisierten Lichtes, der Probe und einem Analysator zur Feststellung des Polarisationszustandes hinter der Probe.
Grundsätzlich könnte am Analysator auf maximale Helligkeit oder Dunkelheit eingestellt werden, wobei es jedoch subjektiv schwer ist, auf den jeweiligen Extremwert einzustellen. Üblich sind deshalb Halbschatteneinrichtungen, bei denen der Analysator aus zwei Hälften besteht, deren Polarisationsrichtungen leicht gegeneinander geneigt sind.

Liegt die Polarisationsebene des Lichtes genau in der Mitte zwischen beiden Richtungen, so erscheinen beide Hälften gleich hell. Diese Stellung kann durch direkten Vergleich sehr genau eingestellt werden, wobei aus messtechnischen bzw. physiologischen Gründen (höhere Empfindlichkeit gegenüber kleinen Unterschieden) jeweils auf minimale Helligkeit eingestellt wird, bei der Halbschatteneinrichtung also auf gleiche, möglichst geringe Helligkeit der beiden Gesichtsfeldhälften. Oft ist der Drehwinkel einer Probe von der Wellenlänge des Lichtes abhängig, so dass an dem Polarimeter monochromatisches Licht verwendet werden muss.

Nullpunktslage

Durch mechanische Dejustierung kann die Nulllage der Polarimeter gegenüber dem Skalennullpunkt verschoben sein. Vor Beginn der Messungen muss daher ohne Probe der Nullpunkt der Polarimeter festgestellt und protokolliert werden.

Zu Aufgabe 1 (Spezifische Drehwinkel)

Der Drehwinkel optisch aktiver Lösungen ist der Massenkonzentration c (Masse pro Volumen Lösung) und der durchstrahlten Länge l der Probe proportional:
(1)
Der Proportionalitätsfaktor [\alpha]^{T}_{\lambda} ist der spezifische Drehwinkel (die Bezeichnung durch eckige Klammern ist wegen deren Bedeutung zur Kennzeichnung der Einheit einer Größe unglücklich, aber in der Polarimetrie gebräuchlich). Die Zusätze T und \lambda deuten die Temperatur- und Wellenlängenabhängigkeit an. Am Versuchsplatz sind Proben unterschiedlicher Konzentration zur Messung der Abhängigkeit (1) vorhanden. Die Ergebnisse werden grafisch dargestellt, und die spezifischen Drehwinkel aus den Steigungen der jeweils erwarteten Geraden entnommen. (Hinweis zum Vergleich mit Literaturwerten: In der Polarimetrie werden spezifische Drehwinkel oft in der Einheit Grad pro g/ml und Dezimeter angegeben):
[\alpha]=1{Grad}/{{g}/{ml}dm} Bei der Protokollierung der Messdaten ist auf eine eindeutige Kennzeichnung der Drehrichtung zu achten (links/rechts).

Zu Aufgabe 2 (Mischprobe)

Es ist eine Zuckerprobe aus zwei Komponenten vorhanden, deren Gesamtkonzentration c bekannt ist. Unter der Voraussetzung, dass die beiden Komponenten ihre spezifische Eigendrehung beibehalten, gilt für den Gesamtdrehwinkel \alpha:
(2) \alpha=[\alpha_1] l c_1 und c_1+c_2=c . Aus den zwei Gleichungen können nach Messung des Gesamtdrehwinkels und bei bekannten spezifischen Drehwinkeln die gesuchten Konzentrationen c_1 und c_2 berechnet werden.

polarisation.txt · Last modified: 2009/06/18 15:23 by oelke

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