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V11 Dünne Linsen
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11.1 Einleitung
Die optische Wirkung des Auges beruht auf der Abbildung eines betrachteten Gegenstands auf die Netzhaut. Die Abbildung wird dabei nicht nur durch die Augenlinse,
sondern auch wesentlich durch die Brechung des Lichts in der Hornhaut, in der mit
Kammerwasser gefüllten Augenkammer und in dem Glaskörper bewirkt (siehe Abbildung
11.1).
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Abbildung 11.1: Schnitt durch ein menschliches Auge.
Das Auge besitzt außerdem die Fähigkeit zu akkommodieren, d.h. von einem Gegenstand in verschiedenen Abständen scharfe Bilder auf die Netzhaut abzubilden. Bei einer Fotokamera wird für diesen Zweck die Entfernung zwischen der starren Glaslinse und dem zu belichtenden Film verändert. Das Auge dagegen ändert durch Muskeltätigkeit die Krümmung und damit die Brennweite f seiner elastisch verformbaren Linse. Bei einem normalsichtigen (emmetropen) Auge liegt der hintere Brennpunkt genau auf der Netzhaut, wenn das Auge weit entfernte Gegenstände betrachtet. In diesem Fall entsteht auf der Netzhaut ein verkleinertes, reelles, umgekehrtes, scharfes Bild.
Beim kurzsichtigen (myopischen) Auge liegt infolge einer zu langen Augenachse der Brennpunkt schon vor der Netzhaut, wohingegen beim weitsichtigen (hypermetropischen) Auge der Brennpunkt hinter der Netzhaut liegt. Diese Augenfehler und deren mögliche Korrekturen werden in der Augenheilkunde behandelt. Notwendige Voraussetzung hierfür ist jedoch die Kenntnis der wichtigsten physikalischen Grundtatsachen von optischen Erscheinungen, von denen einige in diesem Versuch behandelt werden sollen: das Phänomen der Lichtbrechung, die Brauchbarkeit der geometrischen Optik, wichtige Eigenschaften optischer Linsen und deren Verwendung.
11.2 Theoretische Grundlagen
Die vollständige Beschreibung aller Lichterscheinungen kann nur durch die Quantenoptik geleistet werden. Falls auf die quantenmechanische Beschreibung von Absorptions-, Emissions- und Streuvorgängen verzichtet wird, kann man mit dem Modell der Lichtwellen alle optischen Effekte wie Abbildungen, Beugung, Brechung und Interferenz beschreiben. In sehr vielen praktisch vorkommenden Fällen (Beispiele: Fotoapparat, Lupe, Projektionsapparat, Fernrohr, Mikroskop) kann man in einem weiteren Näherungsschritt die Ausbreitung des Lichts in homogenen Medien durch Lichtstrahlen ( → Geraden) darstellen. Beugung und Interferenz als typische Effekte der Wellennatur des Lichts bleiben dann aber unberücksichtigt. Die Brechung von Lichtstrahlen an der Grenzfläche zwischen zwei unterschiedlichen Medien wird phänomenologisch durch das Brechungsgesetz (siehe (11.1)) beschrieben. Diese Art der Beschreibung der Lichtausbreitung nennt man geometrische Optik. Abweichungen von der tatsächlichen Lichtausbreitung können vernachlässigt werden, wenn die im Strahlengang auftretenden Lichtbündeldurchmesser sehr groß gegen die Lichtwellenlänge (etwa 0.5 μm) sind. Diese Bedingung ist im vorliegenden Versuch gut erfüllt.
11.2.1 Brechungsgesetz
Fällt ein Lichtstrahl (oder ein Strahlenbündel) aus einem homogenen Medium 1, in dem die Lichtausbreitungsgeschwindigkeit ist, schräg auf die Trennfläche zu einem anderen homogenen Medium 2 (Lichtausbreitungsgeschwindigkeit ), so wird der Lichtstrahl an der Trennfläche zwischen beiden Medien gebrochen, d.h. die in Abbildung 11.2 angegebenen, jeweils zum Einfallslot gemessenen Winkel und sind verschieden.
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Abbildung 11.2: Brechung und Teilreflexion eines Lichtstrahls an der Grenzfläche zweier homogener Medien.
Das Gesetz über dieses Brechungsverhalten - ausgedrückt durch die Lichtgeschwindigkeiten im Medium 1 und im Medium 2 - wurde etwa 1650 von Fermat gefunden und von ihm aus dem ”Prinzip des kürzesten Lichtwegs“ geschlossen. Dieses Prinzip besagt, dass von allen möglichen Wegen, die das Licht zwischen zwei Punkten nehmen könnte, es denjenigen nimmt, der die kürzeste Laufzeit erfordert. Quantitativ lässt sich dieses Prinzip durch das Brechungsgesetz ausdrücken:
(11.1)
Mit als Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts im Vakuum definiert man als Brechungsindex des Mediums 1 die Größe
(11.2)
Als Beispiel sind einige Brechungsindizes (per Definition ) in der Tabelle 11.1 zusammengefasst.
Material | Brechungsindex n |
---|---|
Luft (0°C, 1013 hPa) | 1.00029 |
Wasserstoff (0°C, 1013 hPa) | 1.00014 |
Wasser (20°C) | 1.333 |
Ethanol (20°C) | 1.362 |
Glycerol (20°C) | 1.455 |
Immersionsöl (20°C) | 1.7 |
Fensterglas (20°C) | 1.51 |
Quarzglas (20°C) | 1.459 |
Diamant (20°C) | 2.417 |
Tabelle 11.1: Brechzahlen n bei = 589.3 nm (gelbe Natriumlinie).
11.2.2 Linsen
Die Wirkung von Linsen beruht auf der Brechung des Lichts an ihren Grenzflächen. Optische Linsen sind lichtdurchlässige, von zwei gewölbten Flächen begrenzte Körper. Sie bestehen im Allgemeinen aus Glas oder Kunststoff und sind meist durch Kugelflächenausschnitte begrenzt (siehe Abbildung 11.3). Die optische Achse verbindet die Mittelpunkte der beiden Kugeln und schneidet die Linsenflächen in den Punkten und . Die Strecke heißt Dicke der Linse.
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Abbildung 11.3: Konstruktion einer Konvexlinse.
Von dünnen Linsen spricht man, wenn ihre Dicke klein gegenüber den Kugelradien ist. Man unterscheidet Konvexlinsen (bei ihnen ist die Mitte dicker als der Rand) und Konkavlinsen (bei ihnen ist die Mitte dünner als der Rand). Konvexlinsen (auch Sammellinsen genannt) fokussieren ein achsenparallel einfallendes Lichtbündel in den auf der anderen Seite der Linse liegenden Brennpunkt auf der optischen Achse (siehe Abbildung 11.4). Die Entfernung von der Linsenmitte zum Brennpunkt heißt Brennweite f (entspricht in Abbildung 11.3). In gleicher Entfernung gibt es auf der anderen Seite einen Brennpunkt .
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Abbildung 11.4: Strahlengang eines achsenparallelen Strahlenbündels durch eine Konvexlinse (oben) und eine Konkavlinse (unten). Durch Konkavlinsen werden achsenparallel einfallende Strahlen zerstreut. Daher nennt man diese Linsen auch Zerstreuungslinsen. Die gebrochenen Strahlen scheinen von einem Punkt her zukommen, der auf derselben Seite der Linse wie die ankommenden Lichtstrahlen liegt. Der Punkt und der zu ihm symmetrisch liegende Punkt heißen auch hier (”scheinbare“) Brennpunkte. Man ordnet Zerstreuungslinsen negative Brennweiten zu. Beim Ausgleich der in der Einleitung erwähnten Augenfehler spielen die Eigenschaften von Konvex- und Konkavlinsen eine entscheidende Rolle. Können Sie sich denken, welche Linse das kurzsichtige und welche Linse das weitsichtige Auge korrigieren kann?
11.2.3 Bildkonstruktion an einer dünnen Sammellinse
Ein Gegenstand in der Gegenstandsweite a wird durch eine Konvexlinse in ein Bild in der Bildweite b abgebildet (siehe Abbildung 11.5).
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Abbildung 11.5: Bildkonstruktion an einer dünnen Sammellinse.
Zur Konstruktion wählt man Strahlen, deren Brechung nach Definition der Sammellinse bekannt ist. Ein achsenparalleler Strahl durch A trifft die Linsenebene beim Punkt A' und geht nach der Brechung durch . Ein Strahl von A durch (Brennstrahl) trifft die Linsenebene bei B' und wird zu einem ausgehenden achsenparallelen Strahl gebrochen. Beide Strahlen schneiden sich im Bildpunkt B. Ein Mittelpunktstrahl verläuft ungebrochen von A nach B. Aus der Abbildung 11.5 erhält man (durch Vergleich ähnlicher Dreiecke) die Abbildungsgleichung
. (11.3)
Für das Verhältnis Bildgröße (entspricht ) zu Gegenstandsgröße (entspricht ), d.h. für die lineare Vergrößerung, gilt:
. (11.4)
Die Konstruktion eines Bilds mit einer Zerstreuungslinse funktioniert entsprechend, wenn man die negative Brennweite berücksichtigt.
Bei dünnen Linsen, d.h. für (siehe Abbildung 11.3) gilt für die Brechkraft
. (11.5)
Für ist dann die Brennweite proportional zum Krümmungsradius r derLinse: .
11.3 Aufgabenstellung
1.
Versuchen Sie mit einer Sammellinse (Abkürzung: SL) die folgenden Abbildungsmöglichkeiten zu realisieren:
- Linse als Lupe
- Linse als fotografische Linse
- Linse als Projektionslinse
2.
Bestimmen Sie experimentell die Brennweite einer Sammellinse und einer Zerstreuungslinse (Abkürzung: ZL). Berechnen Sie für beide Linsen die Brechkraft ( und ).
3.
Berechnen Sie für die Sammellinse unter Benutzung des im Aufgabenteil 2 erhaltenen Werts für die Brennweite diejenige Gegenstandsweite a, bei der ein Bild entsteht, das viermal so groß ist wie der Gegenstand, und diejenige Gegenstandsweite a, bei der das Bild halb so groß ist wie der Gegenstand. Überprüfen Sie beide Ergebnisse experimentell.
11.4 Versuchsdurchführung
Die optischen Komponenten werden auf einer geraden Laufschiene (optische Bank) angeordnet. Damit kann man alle Teile leicht längs der gedachten optischen Achse justieren. Benötigt werden eine Lampe, ein Gegenstand in Form eines Dias mit Maßstab, Linsen (eine Sammellinse und eine Zerstreuungslinse) sowie ein Schirm zur Darstellung des (reellen) Bilds (siehe Abbildung 11.6).
Erläuterungen zum Aufgabenteil 1
Je nach Stellung des Gegenstands in Bezug auf einen Brennpunkt der Linse erhält man verschiedenartige Abbildungen. Befindet sich der Gegenstand in einem Brennpunkt der Linse (a = f), so werden die Lichtstrahlen durch die Linse so gebrochen, dass sie diese als Parallelstrahlen verlassen; das Bild liegt also im Unendlichen. Befindet sich der Gegenstand innerhalb der einfachen Brennweite (a < f), so erhält man ein virtuelles, aufrechtes Bild, das größer als der Gegenstand ist (Lupenwirkung). Virtuelle Bilder kann man nicht mit Schirmen auffangen. Steht der Gegenstand zwischen der doppelten und der einfachen Brennweite (2f > a > f), so erhält man ein reelles, umgekehrtes Bild, das größer ist als der Gegenstand und das sich auf der anderen Seite der Linse befindet (Projektionsabbildung). Befindet sich der Gegenstand außerhalb der doppelten Brennweite (a > 2f), so erhält man ein reelles, umgekehrtes, verkleinertes Bild (fotografische Abbildung). Durch Verschieben der Linse (Änderung der Gegenstandsweite a) und des Schirmes (Änderung der Bildweite b) lassen sich verschiedene Abbildungsmöglichkeiten leicht demonstrieren, die man quantitativ durch die Abbildungsgleichung (11.3) beschreiben kann.
Erläuterungen zum Aufgabenteil 2
Die Brennweite misst man durch Anwendung der Abbildungsgleichung (11.3). Die Bauteile ordnet man in der Reihenfolge Lampe, Dia, Sammellinse, Bildschirm auf der optischen Bank an (siehe Abbildung 11.6). Dia und Schirm stellt man in größtmöglichem Abstand voneinander auf, um die Ablesefehler zu reduzieren. Man achte darauf, dass Dia- und Schirmfläche sowohl senkrecht zur optischen Bank als auch parallel zueinander stehen. Zwischen beide wird zunächst die Sammellinse gestellt, die ebenfalls sorgfältig parallel zu Dia und Schirm zu justieren ist. Durch Verschieben auf der optischen Bank wird die Scharfstellung des Bilds mit der Linse in der Nähe des Dias aufgesucht. Dabei wird die Stellung der Linse auf der optischen Bank abgelesen. Da die Markierung des die Linse tragenden Stativreiters grundsätzlich nicht mit der Linsenmitte übereinstimmt, ist jede Messung mit einem systematischen Fehler behaftet. Um diesen Fehler zu eliminieren, ist jede Messung mit umgekehrter Linse zu wiederholen! 1)
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Abbildung 11.6: Skizze zum Versuchsaufbau.
Man bezeichnet die Diastellung mit h, die Linsenstellung mit k und die Schirmstellung mit l (siehe Abbildung 11.6). Aus dem Abstand von Linse und Dia wird die Gegenstandsweite ermittelt: a = k − h. Die Bildweite b entspricht dem Abstand von Schirm und Linse: b = l − k. Es sollen einige Messungen in verschiedenen Abbildungsbereichen (siehe Aufgabenteil 1) durchgeführt werden. Bestimmen Sie jeweils h, k und l und werten Sie in Tabellenform aus (siehe Tabelle 11.2). Die Brennweite f erhält man als Mittelwert der Einzelmessungen.
Tabelle 11.2: Auswertung von Aufgabenteil 2.
h/cm | k/cm | l/cm | (a = k − h)/cm | (b = l − k)/cm | f/cm | |
---|---|---|---|---|---|---|
Messung 1 | ||||||
Messung 2 |
Den reziproken Wert der Brennweite f bezeichnet man als Brechkraft D:
. (11.6)
Die Einheit der Brechkraft ist die Dioptrie (dpt): [D] = 1 dpt = 1 . Eine Sammellinse der Brennweite 50 cm hat also die Brechkraft D = 2 dpt. Die Linse im menschlichen Auge besitzt eine Brechkraft von 15 dpt.
Stellt man zwei dünne Linsen hintereinander auf, so bekommt man ein Linsensystem mit der Brechkraft . (11.7)
Dabei sind und die Brechkräfte der einzelnen Linsen. Die Brechkraft einer Konkavlinse ist negativ. Man kann mit ihr keine reellen Abbildungen eines Gegenstands herstellen. Daher misst man deren Brennweite durch Kombination mit einer Konvexlinse bekannter Brechkraft . Die Brechkraft des Linsensystems bestehend aus einer Konvex- und einer Konkavlinse ist dann nach (11.7) . (11.8) Die Sammellinse muss eine dem Betrag nach größere Brechkraft als die Zerstreuungslinse haben (), damit die Hintereinanderanordnung beider Linsen ein System mit positiver Brechkraft, d.h. mit Sammelwirkung ergibt. Davon misst man die Brechkraft nach der oben beschriebenen Methode und berechnet dann nach Gleichung (11.8) die Brechkraft der Konkavlinse: .
Erläuterungen zum Aufgabenteil 3
Aus den geometrischen Verhältnissen des zur Bildkonstruktion benutzten Strahlenverlaufs (siehe Abschnitt 11.2.3) lässt sich folgende Beziehung herleiten (siehe (11.4)):
. (11.9) Dies besagt, dass man eine um einen bestimmten Faktor vergrößerte Abbildung eines Gegenstands einfach dadurch erhält, indem die Bildweite in Bezug zur Gegenstandsweite um den gleichen Faktor geändert wird. Wenn die Brennweite f einer Linse bekannt ist, lässt sich unter Benutzung der Abbildungsgleichung (11.3) jede gewünschte Abbildung ausrechnen. Nachdem Sie die für diese Aufgabe erforderlichen Größen a und b berechnet haben, stellen Sie diese Strecken auf der optischen Bank ein. Dazu müssen Sie die Linse und den Schirm verstellen. Auf dem Schirm sollte dann ein scharfes Bild entstehen, das viermal (bzw. halb) so groß ist wie der Gegenstand.
11.5 Zusätzliche Anmerkung
Ein anderes Verfahren zur Bestimmung der Brennweite einer Sammellinse besteht darin, dass man die auszumessende Sammellinse vor ein auf ”unendlich“ eingestelltes Fernrohr setzt und damit (durch die Sammellinse hindurch) einen Gegenstand betrachtet. Damit man ein scharfes Bild bekommt, muss sich der betrachtete Gegenstand in der Brennebene der Linse befinden, denn nur dann werden alle vom Objekt ausgehenden Strahlen nach Brechung in der Linse als parallele Strahlen in das Fernrohr eintreten.